Die USA schenkten der jungen Republik China in den ersten drei Jahrzehnten ihres Bestehens indes wenig Aufmerksamkeit. Es war eine Zeit, in der das chinesische Festland von schwerem Aufruhr heimgesucht wurde. Jaw-ling Joanne Chang, Wissenschaftlerin am Institut für Europa- und Amerikastudien der Academia Sinica, Taiwans renommiertestem Forschungsinstitut, schreibt diese Gleichgültigkeit der Politik des diplomatischen Isolationismus zu, welche die US-Regierung ab den zwanziger Jahren verfolgte, und auch der beispiellosen Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre. „Selbst die Vorgänge am 7. Juli 1937, als Japan eine allumfassende Invasion auf dem chinesischen Festland entfesselte, riefen in den USA nur wenige Reaktionen hervor“, bemerkt sie.
Nach dem Überfall der Japaner auf Pearl Harbor in Hawaii am 7. Dezember 1941 und dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg begann Washington eng mit der Republik China zusammenzuarbeiten, um einen gemeinsamen Feind zu bekämpfen.
Eine der gemeinschaftlichen militärischen Anstrengungen zwischen der Republik China und den USA gegen Japan, die am besten in Erinnerung blieb, war die Amerikanische Freiwilligengruppe (American Volunteer Group, AVG) in der chinesischen Luftwaffe unter der Führung von Claire Lee Chennault (1893-1958). Der erfahrene amerikanische Pilot begab sich erstmals 1937 nach Festlandchina, um beim Aufbau der Luftwaffe der Republik China mitzuwirken. Unter anderem beriet Chennault Chiang Kai-shek (蔣介石, 1887-1975), den damaligen Chef des Nationalen Militärrates und späteren Staatspräsidenten der Republik China, über Militärluftfahrt, und zudem leitete er die Flugschule der chinesischen Luftwaffe. 1941 gründete Chennault die AVG, der rund 100 amerikanische Piloten angehörten. Die AVG, die unter dem Namen „Fliegende Tiger“ bekannt wurde und ihre Kampfflugzeuge mit Haifischzähnen-Motiven lackierte, operierte in Südwestchina und Burma (heute Myanmar), und vor ihrer Auflösung ein Jahr später konnte die Truppe zahlreiche japanische Kampfflugzeuge abschießen.
Da Taiwan sich zwischen 1895 und 1945 unter japanischer Kolonialherrschaft befand und während des Krieges eine wichtige Basis der japanischen Kriegsmaschine darstellte, führte die US Air Force Bombenangriffe auf Taiwan durch, bevor Japan am 15. August 1945 die bedingungslose Kapitulation bekanntgab. „Der Krieg trug erheblich zur Förderung der Beziehungen zwischen der Republik China und den USA bei“, urteilt Chang. Die Konferenz von Kairo im November 1943, an der neben Chiang Kai-shek der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt (1882-1945, Amtszeit 1933-1945) und der britische Premierminister Winston Churchill (1874-1965, Amtszeiten 1940-1945 und 1951-1955) teilnahmen, unterstrich die solide Allianz zwischen der Republik China und den Weltmächten zu jener Zeit.
Die Kampfflugzeuge der „Fliegenden Tiger“ wurden ein bekanntes Symbol für die gemeinsamen Anstrengungen der Republik China und der USA gegen Japan Anfang der vierziger Jahre. (Foto: Courtesy Parteiarchiv KMT)
Mit dem Abschluss des Zweiten Weltkrieges endete auch die japanische Kolonialkontrolle über Taiwan. In der Nachkriegszeit entwickelte die Insel Taiwan ein enges Verhältnis mit den USA, während die USA ihre Stellung als führende Weltmacht ausbauten. Um 1949 jedoch, als die von der Nationalen Volkspartei (Kuomintang, KMT) geführte Regierung der Republik China beim Kampf gegen die chinesischen Kommunisten auf dem Festland buchstäblich an Boden zu verlieren begann, waren die Nachkriegsbeziehungen zwischen der Republik China und den USA recht fragil. „Die USA hielten sich aus dem chinesischen Bürgerkrieg heraus, da man in Washington die Situation der KMT-Regierung im Bürgerkrieg als hoffnungslos einschätzte“, analysiert Chen I-hsin, Professor am Graduierteninstitut der Amerikas an der Tamkang University in Danshui (New Taipei City).
Ein schwerer Schlag
Als die chinesischen Kommunisten eine fast allumfassende Kontrolle über Festlandchina erlangten, zog sich die KMT-geführte Regierung der Republik China bis Dezember 1949 vollständig nach Taiwan zurück. Im Januar 1950 kündigte US-Präsident Harry S. Truman (1884-1972, Amtszeit 1945-1953) an, die USA würden nicht länger in den Zwist über die Taiwanstraße eingreifen. „Das war für Taiwans Moral ein schwerer Schlag“, tadelt Chen.
Die Lage wandelte sich praktisch über Nacht, als im Juni 1950 der Koreakrieg ausbrach. Als das kommunistische nordkoreanische Regime in den Süden der Halbinsel einfiel, stand den USA ein drohender Domino-Effekt vor Augen, der das restliche Asien unter kommunistische Herrschaft bringen würde, wie Jaw-ling Joanne Chang die Kehrtwende der Amerikaner kommentiert. Damit nicht noch mehr Dominosteine umkippten, entsandte die Kriegsmarine der USA ihre Siebte Flotte in die Taiwanstraße und schob damit einem Angriff von Festlandchina auf Taiwan wirksam einen Riegel vor. „Die Spaltung zwischen dem demokratischen Lager und dem kommunistischen Lager wurde deutlich“, sagt Chang. „Das bilaterale Verhältnis zwischen der Republik China und den USA bewegte sich daher auf eine neue Stufe.“
Die US-Regierung leistete in der Folgezeit Unterstützung in unterschiedlicher Form für Taiwan. Washington zahlte der Republik China zwischen 1951 und 1965 Jahr für Jahr Finanzhilfe in Höhe von 100 Millionen US$. Die USA ermunterten überdies amerikanische Unternehmen, in Taiwan zu investieren, wobei das Land damals kaum Aufmerksamkeit von ausländischen Investoren erhalten hatte, außer von der ehemaligen Kolonialmacht Japan.
Im Hinblick auf Militärhilfe nahm die US-amerikanische Militärhilfe-Beratungsgruppe (Military Assistance Advisory Group, MAAG) 1951 in Taipeh die Arbeit auf. Bis 1978 erfüllte sie Aufgaben wie Beratung der Regierung der Republik China über Waffen und militärische Schulung. Beide Seiten unterzeichneten zudem 1954 den Chinesisch-amerikanischen Vertrag über gegenseitige Verteidigung, der Frieden über die Taiwanstraße gewährleisten sollte. Das Vertragswerk hatte nicht nur die Absicht, einen kommunistischen Angriff auf Taiwan abzuschrecken, sondern verfügte überdies, dass jegliche militärische Operation, welche die Republik China zur Rückeroberung des Festlandes unternähme, von der US-Regierung gebilligt werden sollte. „Amerika befürchtete, durch einseitige Beschlüsse von Taiwan in einen Krieg hineingezogen zu werden“, erklärt Chen von der Tamkang University.
Im Dezember 1989 machen Demonstranten ihrem Unmut über den Beschluss der USA Luft, die diplomatischen Beziehungen zur Republik China abzubrechen. (Foto aus unserem Archiv)
Laut Jaw-ling Joanne Chang wurde der Artilleriebeschuss, den die chinesischen Kommunisten am 23. August 1958 auf die vorgelagerte Insel Kinmen eröffneten, der letztendliche Test für die Entschlossenheit der USA, Taiwan militärisch beizustehen. „Die chinesischen Kommunisten wollten sehen, ob die Amerikaner es ernst meinten“, doziert sie. Und in der Tat spielte die Kriegsmarine der USA im Laufe der folgenden anderthalb Monate, während zwischen der Republik China und Festlandchina schwere Artilleriegefechte tobten, eine entscheidende Rolle dabei, Schiffe der Republik China, die Nachschub nach Kinmen transportierten, zu verteidigen.
„Die USA verdienen Lob für ihre Anstrengungen, Stabilität in der Taiwanstraße zu wahren, damit Taiwan sich später entwickeln und blühen konnte“, findet Lin Bih-jaw, Vizepräsident der National Chengchi University (NCCU) in Taipeh und Fachmann für internationale Diplomatie. „Die amerikanische Wirtschaftshilfe war gleichfalls wesentlich für das Entstehen von Taiwans nachfolgendem Wirtschaftswunder.“ Lin glaubt, der Hauptgrund, warum die USA Taiwan so lange unterstützten, beruht in der entscheidenden geografischen Lage der Insel, welche die Fähigkeit Festlandchinas, Macht im Pazifik durchzusetzen, eindämmt. Lin: „Taiwans strategische Lage ist der Schlüssel zu den Beziehungen zwischen Taiwan und den USA.“
Realpolitische Erwägungen waren indes immer ein Faktor bei den Beziehungen. Im Februar 1972, mehrere Monate nach dem Rückzug der Republik China aus den Vereinten Nationen (United Nations, UN), erschraken die Taiwaner, als US-Präsident Richard Nixon (1913-1994, Amtszeit 1969-1974) nach Beijing reiste und versuchte, Festlandchina für eine Zusammenarbeit im Kampf der Amerikaner gegen die Sowjetunion zu gewinnen. Ein noch schockierenderes Ereignis folgte im Dezember 1978, als US-Präsident Jimmy Carter (geb. 1924, Amtszeit 1977-1981) seine Absicht bekanntgab, offizielle Beziehungen mit Festlandchina aufzunehmen. „Von allen amerikanischen Präsidenten war vielleicht Carter gegenüber Taiwan am unfreundlichsten gesinnt“, spekuliert Chen.
Zwar übertrugen die USA die diplomatische Anerkennung von der Republik China auf Festlandchina, doch im April 1979 trat das Gesetz über die Taiwanbeziehungen (Taiwan Relations Act, TRA) in Kraft und ersetzte praktisch den unwirksam gewordenen Chinesisch-amerikanischen Vertrag über gegenseitige Verteidigung von 1954. Das vom US-amerikanischen Kongress verfügte Gesetz verpflichtet die USA, Taiwan mit Defensivwaffen auszustatten. Nach der Anerkennung Festlandchinas durch die USA wurde die amerikanische Botschaft in der Republik China geschlossen, aber darauf folgte die Einrichtung des Amerikanischen Instituts in Taiwan (AIT) auf Grundlage des TRA, um die Interessen der USA auf der Insel zu vertreten.
Trotz des veränderten diplomatischen Status boten die USA weiterhin unverzichtbare Unterstützung für Taiwans Bemühungen, an internationalen Angelegenheiten beteiligt zu werden, sagt Jaw-ling Joanne Chang. Diesbezüglich verweist die Gelehrte auf die Anstrengungen des früheren US-Präsidenten George H. W. Bush (geb. 1924, Amtszeit 1989-1993), der dadurch im Gedächtnis blieb, dass er sich für Taiwans Aufnahme in die Asiatisch-pazifische wirtschaftliche Zusammenarbeit (Asia-Pacific Economic Cooperation, APEC) im Jahre 1991 einsetzte und außerdem auf Taiwans Beteiligung als Beobachter an Konferenzen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (General Agreement on Tariffs and Trade, GATT) drang, dem Vorläufer der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO). Der Beobachterstatus der Republik China bei GATT erlosch mit dem Rückzug des Staates aus den UN im Oktober 1971, doch im Januar 2002 wurde das Land dafür in die WTO aufgenommen. Bislang sind die APEC und die WTO die beiden wichtigsten internationalen Organisationen, in die Taiwan unter dem Namen „Chinese Taipei“ als Vollmitglied Aufnahme fand. „Bush senior war verglichen mit anderen US-Präsidenten der vergangenen 20 oder 30 Jahre etwas Besonderes, denn er zeigte guten Willen mit großem Taktgefühl“, lobt Chang.
Chiang Ching-kuo (fünfter von links), Staatspräsident der Republik China, am 29. Dezember 1978 im Gespräch mit US-Vizeaußenminister Warren Christopher (siebter von links). (Foto aus unserem Archiv)
Die Beziehungen zwischen der Republik China und den USA erreichten ein neues Niveau, als der US-Kongress sich nach einer Abstimmung im Mai 1995 mehrheitlich dafür aussprach, dass man das State Department (also das US-amerikanische Außenministerium) ersuchen solle, dem damaligen Staatspräsidenten der Republik China Lee Teng-hui (李登輝, geb. 1923, Amtszeit 1988-2000) ein Visum für einen Besuch in den USA zu erteilen. Zwar war die Reise eine private Angelegenheit, doch Lees Besuch bei der Cornell University in New York, wo er 1968 promoviert hatte, im Juni 1995 war beispiellos, da zuvor kein amtierender Präsident der Republik China US-amerikanischen Boden betreten hatte.
Festlandchina reagierte darauf mit einer Reihe von Raketentests in den Gewässern um Taiwan. Diese Tests begannen im Juli 1995 und wurden bis ins Jahr darauf fortgesetzt. Als Gegenmaßnahme begann die Regierung von US-Präsident Bill Clinton (geb. 1946, Amtszeit 1993-2001) am 8. März 1996 mit der Entsendung von Kriegsschiffen in die Nähe von Taiwan. Im Einklang mit den Verteidigungs-Versprechen der USA im TRA umfasste diese Entsendung durch die Kriegsmarine der USA die Flugzeugträger USS Independence und USS Nimitz. Die Raketentests der chinesischen Kommunisten gingen weiter bis zur ersten direkten Präsidentschaftswahl der Republik China am 23. März 1996. Das Säbelrasseln Festlandchinas erwies sich letzten Endes als kontraproduktiv, da Lee Teng-hui die Wahl mit einer deutlichen absoluten Mehrheit und einer Wahlbeteilung von 76 Prozent souverän gewann.
Chen I-hsin gibt indes zu bedenken, dass die USA nicht unbedingt bereit sein werden, Taiwan bei jeder Konfrontation mit Festlandchina zu schützen. „Die Unterzeichnung des TRA bedeutet nicht, dass wir einen Blankoscheck haben“, weiß der Gelehrte. „Die Reaktion der USA hängt davon ab, ob Taiwan in ihren Augen das Richtige tut. Sie ist an Bedingungen geknüpft und muss mit den Interessen der USA übereinstimmen. Wegen des Aufstiegs Festlandchinas in den jüngsten Jahren sind die USA außerdem zögerlich, ob es sich lohnt, in Konflikte über die Taiwanstraße hineingezogen zu werden.“
Um Washingtons Vorsicht hervorzuheben, verweist der Akademiker vor allem auf die Versuche von Chen Shui-bian (陳水扁, geb. 1950) während seiner Amtszeit als Präsident der Republik China, ein Referendum über die Schaffung einer neuen Verfassung für Taiwan abzuhalten. Präsident Chen war Mitglied der für eine Unabhängigkeit Taiwans eintretenden Demokratischen Progressiven Partei (DPP) und von 2000 bis 2008 Staatsoberhaupt. Die Festlandchina beherrschenden chinesischen Kommunisten betrachteten ein Referendum über eine neue Verfassung als hochgradig provokanten Schritt, der sie dazu bringen könnte, zu militärischer Gewalt gegen Taiwan zu greifen. „Der stellvertretende US-amerikanische Außenminister Richard Armitage (geb. 1945, Amtszeit 2001-2005) sagte einmal öffentlich [in einem Interview im Dezember 2004], dass die USA nicht verpflichtet seien, bei einem Kriegsausbruch Taiwan zu verteidigen“, enthüllt Chen I-hsin.
Lien Chan (dritter von links) als Vertreter von „Chinese Taipei“ beim APEC-Führertreffen 2010 im japanischen Yokohama. Die USA boten unverzichtbare Unterstützung für Taiwans Bemühungen, an der APEC und anderen internationalen Organisationen beteiligt zu werden. (Foto: Central News Agency)
Im Kontrast dazu zieht der amtierende Staatspräsident Ma Ying-jeou (馬英九, geb. 1950, im Amt seit Mai 2008) von der KMT es vor, den Weg einer „durchführbaren Diplomatie“ zu beschreiten, um Festlandchina einzubinden, und schließt sämtliche internationalen Angelegenheiten in diese Methode ein, wozu auch ein Verhältnis mit der US-Regierung ohne Überraschungen gehört. „Er macht den Vertrauensverlust der USA während der Amtszeit von Chen Shui-bian wieder gut“, meint Lin Bih-jaw. „Das ist wichtig für die zukünftige Entwicklung der Beziehungen zwischen Taiwan und den USA.“ Infolgedessen lobte US-Präsident Barack Obama (geb. 1961, im Amt seit Januar 2009) die Maßnahmen von Präsident Ma, die Beziehungen über die Taiwanstraße und zur ganzen Welt zu verbessern. „Ich habe die Fortschritte, die auf beiden Seiten der Taiwanstraße bei der Verminderung von Spannungen und dem Aufbau von Wirtschaftsbeziehungen gemacht wurden, begrüßt“, sagte Obama im Januar dieses Jahres. „Und wir hoffen, dass dieser Fortschritt weitergeht, denn er ist im Interesse beider Seiten, der Region und der Vereinigten Staaten.“
Andererseits hat die Entspannungspolitik über die Taiwanstraße auch Besorgnis in den USA darüber ausgelöst, ob Taiwan sich immer ausgeprägter nach Festlandchina neigt, einem Land, das die USA wachsam beobachten. „Manche amerikanischen Beobachter befürchten, Taiwan könne in Zukunft bei bestimmten Fragen weniger standhaft an der Seite der USA stehen“, sinniert Jaw-ling Joanne Chang.
Überzogene Befürchtungen
Lin wiederum hält solche Befürchtungen für überzogen. „Es war unvermeidlich für die USA, sich zu Beginn von Mas Präsidentschaft Sorgen darüber zu machen“, versichert Lin. „Sie sollten aber mittlerweile beruhigt sein, da sich herausgestellt hat, dass die Öffnung gegenüber dem chinesischen Festland durch die Ma-Administration nicht auf Kosten der Beziehungen mit den USA erfolgte.“
Während einer Begegnung mit dem US-amerikanischen Kongressabgeordneten Eni Faleomavaega Ende März dieses Jahres in Taipeh nannte Präsident Ma die vorrangigen Fragen in dem Verhältnis, welche die Regierung der Republik China gerne anpacken würde. Eine dreht sich um Taiwans Wunsch, am Visafreiheit-Programm der USA beteiligt zu werden, dank dem Bürger aus über 35 Staaten die USA als Touristen oder geschäftlich bis zu 90 Tage visafrei besuchen dürfen; ein Visum ist teuer und der Antrag zeitaufwändig. Die andere vorrangige Frage, die Präsident Ma hervorhob, ist der Beschluss eines Auslieferungsvertrages, den Taiwans diplomatische und juristische Behörden derzeit mit ihren amerikanischen Verhandlungspartnern besprechen. Ein solches Abkommen, das die kooperativen Anstrengungen bei der Verbrechensbekämpfung stärken soll, würde es leichter machen, Taiwaner, die einer Straftat verdächtigt werden und in den USA leben, heimzubringen und vor Gericht zu stellen.
Präsident Ma Ying-jeou im März dieses Jahres bei einer Ansprache zu Handelsfragen zwischen Taiwan und den USA bei einem Bankett, das die Amerikanische Handelskammer in Taipeh veranstaltete. (Foto: Central News Agency)
Seit der Unterzeichnung des TRA war seine Klausel, dass die USA zum Verkauf von Defensivwaffen an Taiwan verpflichtet seien, einer der zentralen Punkte, welche die Beziehungen zwischen Taiwan, den USA und Festlandchina beeinflussen. In der Praxis bedeutet das TRA, dass die USA ihren Wunsch nach störungsfreien Beziehungen mit Festlandchina gegen ihre Verteidigungsverpflichtungen zu Taiwan abwägen müssen. Im Januar 2010 genehmigte die Obama-Administration den Verkauf von Defensivwaffen im Wert von 6,4 Milliarden US$ trotz Beijings Protesten. Die Regierung der Republik China drängt weiterhin auf den Erwerb von mehr modernen F16-Kampfflugzeugen aus den USA.
Was die Wirtschaftsbeziehungen anbelangt, hofft die Republik China, mit den USA wieder Gespräche über ein Handels- und Investitions-Rahmenabkommen (Trade and Investment Framework Agreement, TIFA) aufzunehmen. TIFA-Gespräche begannen im Jahr 1994 und dienten als Kanal, durch den Taiwan und die USA Wirtschaftsstreitigkeiten beilegen und an der Ausweitung des Handels arbeiten. Die USA legten die zuvor regelmäßigen Treffen 2007 jedoch auf Eis, nachdem Taiwan bestimmte Importe von US-amerikanischem Rindfleisch aufgrund gesundheitlichen Bedenken verboten hatte.
Obwohl das Rindfleischproblem noch einer Lösung harrt, sind die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Republik China und den USA nach wie vor stark. Im Jahr 2010 waren die USA Taiwans drittgrößter Handelspartner, der bilaterale Handel erreichte einen Gesamtumfang von 56,8 Milliarden US$ und lag damit lediglich hinter Taiwans Handel mit Festlandchina und Japan. Im gleichen Jahr wurden die USA als bedeutendstes ausländisches Touristenziel der Taiwaner nur von Festlandchina, Hongkong, Japan und Macau übertroffen, und es wurden insgesamt 395 729 Besuche von Taiwanern in den USA verzeichnet. Ebenfalls 2010 unternahmen Amerikaner 369 528 Besuche nach Taiwan, mehr Besucher kamen nur aus Festlandchina, Japan sowie Hongkong und Macau zusammen.
Angesichts der Launen der internationalen Politik ist es schwer vorauszusagen, welche neuen Meilensteine in der Zukunft der Beziehungen zwischen der Republik China und den USA auftauchen werden. Dass man solche Meilensteine erreichen wird, ist allerdings wegen der Werte, welche die Menschen beider Länder gemeinsam haben, sehr wahrscheinlich. „Nachdem die offiziellen Beziehungen zwischen der Republik China und den USA unterbrochen wurden, formulierte man in den USA das TRA“, sagte Präsident Ma am 4. Juli dieses Jahres. Der Anlass war die Eröffnung einer Sonderausstellung über das Verhältnis des Gründervaters der Republik China zu den USA, organisiert vom AIT und der Nationalen Sun Yat-sen-Gedächtnishalle in Taipeh, und als Eröffnungsdatum hatte man bewusst den amerikanischen Unabhängigkeitstag gewählt. Das Staatsoberhaupt fuhr fort: „Warum? Der wichtigste Grund ist, dass das Konzept der Nationbildung in der Republik China mit dem der USA in weiten Teilen übereinstimmt. Freiheit, Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind gemeinsame Kernwerte, und diese Werte sind die Grundlage, auf der beide Seiten an vielen Fronten zusammenarbeiten können.“
(Deutsch von Tilman Aretz)